Feindbild Bürger

Ein Kritischer Polizist klärt im Interview auf

Er wünscht sich eine zivilgesellschaftlichere Rolle unserer Polizei und stellt doch fest, dass das Gegenteil der Fall ist. Thomas Wüppesahl, Bundessprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten ist besorgt. Die Rolle unserer Gesetzeshüter verändert sich hin zu einer Ordnungsmacht, die dem fünfundfünfzigjährigen ehemaligen Bundestagsabgeordneten und Wirtschaftskriminologen aus dem Hamburger Raum einiges an Skepsis abverlangt.

Die Liste der Vorwürfe über die Fehlentwicklungen in den eigenen Reihen ist lang. So stößt ihm beispielsweise die derzeitige Praxis polizeilicher Berichterstattung auf. Während die Verantwortlichen in den Führungsetagen sich noch in medialer Sicherheit wähnten, stritten sie konsequent ab, dass ausländische Polizeikräfte an der Niederschlagung der diesjährigen Castorproteste beteiligt gewesen seien. Erst als Fotos von Castorbeamten mit der Rückenaufschrift POLICE auftauchten, gestanden sie deren Anwesenheit ein, wenn auch ausschließlich zu Beobachtungszwecken. Dann weitere Fotos, welche klar belegten, dass ein französischer Flic hingebungsvoll mit der Faust auf einen Castorgegner einprügelte, der bereits zusammengekrümmt auf dem Boden lag, ohne jegliche Gegenwehr zu leisten. Na dann eben ein Ausnahmefall, genauso wie dessen Kollegen aus Polen und Kroatien.

Wüppesahl ist ärgerlich. Die Gewalt bei diesem Einsatz ging eindeutig nicht von den Demonstranten aus, sondern von der Polizei. Einer Polizei, die einst mit Hilfe bester Fachschulen darauf geschult worden war, mit psychologischem Geschick und fachlichem Können selbst schwierige Situationen souverän zu meistern. Seit den 90ern wird, federführend unter Ex-Innenminister Schäuble, die Qualität an diesen Polizeifachschulen konsequent zurückgefahren. Das Lehrvolumen an diesen Einrichtungen verflacht zusehends mit dem Ergebnis, dass heute Polizeischüler mit fachlichem Frakturwissen und ohne ausreichendes soziologisches Verständnis in den Dienstalltag entlassen werden. Die Hintergründe für dieses Desaster sind bekannt. Das politische und wirtschaftliche Prekariat wünscht sich wieder „Richtige Polizisten“, echte Kerle, die auch mal ordentlich hinlangen können, anstatt für jedes Problem Verständnis zu zeigen. In dem Maße, indem Schäuble und sein Nachfolger de Maizière von einer Militarisierung im Inneren träumen, um gegen all die sozialen Unruhen gewappnet zu sein, die bereits jetzt drohend ihre Schatten vorauswerfen, realisiert sich deren düsteres Hirngespinnst bereits heute in Form von Wasserwerfern, die mit 20 Bar Wasserdruck Stuttgarter Rentnern die Augen herausschießen und Beamten, die sich immer routinierter das Blut protestierender Bürger von ihren Schlagstöcken wischen.

Dass die Polizei in Gorleben 2010 sogar logistische Unterstützung der Bundeswehr erhielt, verurteilt Wüppesahl auf das Schärfste. Am liebsten sähe er keinerlei Art von Zivil Militärischer Zusammenarbeit, damit gar nicht erst ein Gewöhnungseffekt an solche Verhältnisse eintritt. Auch findet er, dass die Verhältnissmäßigkeit der Mittel von Polizeibeamten gegenüber Demonstranten immer öfter in Schieflage gerät. „Der flächendeckende Beschuss mit Gasgranaten auf ein Waldstück, indem sich Demonstranten aufhalten,“ so Wüppesahl, „ist ein Mittel, dass man im Krieg einsetzt um einen Feind zu vernichten. Die Gasgranaten sind zwar nicht tödlich, deren Einsatz liegt jedoch außerhalb jedweder Verhältnissmäßigkeit.“
Der Kripobeamte wörtlich: „Es gibt ein ausgeprägtes Feindbild in den Köpfen von viel zu vielen Polizeibeamten.“

Hier gehts zum Interview, gelegentlich zur Auflockerung von Musiktiteln unterbrochen.

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5 Antworten zu Feindbild Bürger

  1. Hallo Leute,
    es gibt polizeiliche Fachbücher über den „Unmittelbaren Zwang“, der Einerseits dem Polizisten lehren soll, was er darf, was nicht. Tatsächlich wird dieses Buch ehr dazu verwendet, die Geschilderten Fälle als Beispiel zu nehmen, was der Staatsanwalt und der Richter hören muss, um den uniformierten Täter freizusprechen.
    Es gibt viel schlimmes, was ich in Bezug auf die Polizei feststellen musste und habe es auf http://www.dirtycop.de in pdf-Dateien aufgelistet. Dennoch, man muss immer beide Seiten sehen und die Akten einsehen um sich ein Urteil zu bilden.
    Ich sammle Behördenstraftaten !
    Ich verweise auch auf http://www.behoerdenstress.de, die Seite eines Polizisten, der Behördendelikte aufdeckt und anprangert.

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  4. Platon schreibt:

    Wie gut, dass es noch solche Menschen gibt. Wir brauchen wohl auch jede Menge davon. Zivilcourage von vielen aufrechten Menschen ist wohl das Beste, was uns jetzt in dieser aktuellen Lage passieren kann.

    • Ralf schreibt:

      Platon gebe ich recht!
      Aber man sollte diese Sache von zwei Seiten sehen. Polizisten verdienen durch Demoeinsätze ein Zusatzgehalt. Wenn sie die Befehle der Vorgesetzten nicht ausführen bekommen sie Probleme. Und die Befehle der Vorgesetzten kommen von unseren Politikern!
      Als meiner Sicht sind Polizisten und Soldaten nur noch Handlanger unserer Regierung! Unsere Politiker sind nur noch geschmierte Handlanger der Lobbyisten von Banken und Konzernen!
      Die Deutschland GmbH und unser Grundgesetz lassen sehr viele Fragen offen!
      Unsere Regierung verstößt ständig gegen das Grundgesetz und tricks die Urteile von Bundesverfassungsgericht aus!
      Von Politiker bekommt man selten brauchbare Antworten.
      Die Presse berichtet Halbwahrheiten!
      Das Volk wurde wegen Europa, Euro, Kriege, Milliarden an Banken, Griechenland, Atomkraft usw. nicht gefragt. Sehr viele Bürger, ob mit oder ohne Arbeit leben unter dem Existenzminimum!
      Polizisten stehen inzwischen schwer gewaffnet an öffentlichen Plätzen, verteilen massenweise Strafzettel, verprügeln Demonstranten und wenn man sie braucht sind sie selten da!
      Was soll man dann von den Politikern und weiteren Staatsangestellten halten?

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